Die Aal-Mafia

Der immense Appetit auf Aal übersteigt schon seit Jahrzehnten die natürlichen Ressourcen des Japanischen Aals (Anguilla japonica) und führte zu massiv steigenden Importen von europäischen Aalen. Sie werden schon seit langem als Glas- oder Jungaale nach China und Taiwan exportiert, wo man sie in Aalfarmen zu teuren Speisefischen mästet. 

Lukrativer als Drogenhandel

Dieser immer intensiver genutzte Handelsweg wurde 2010 durch strikte Schutzmassnahmen der EU unterbunden. Der Sinn dieses Verbots wird allerdings massiv in Frage gestellt durch einen kriminellen Schwarzmarkt, der mittlerweile so professionell organisiert ist wie Drogen- und Waffenhandel. Kein Wunder, denn es locken Gewinnmargen, die besser sind als jene für Kokain oder Maschinenpistolen. Bis zu 1500 Euro bekommt ein «flexibler» Fischer für ein Kilogramm Glasaale. Für manche eindeutig zu viel Geld, um vernünftig zu bleiben.

Eine Glasaalstudie der Sustainable Eel Group (SEG), einer Nichtregierungs-Organisation, die von Naturschutzaktivisten und Forschern gegründet wurde, zeigt grenzüberschreitend die aktuellen Fangahlen.

Sehr präzis dokumentiert ist Fangsaison 2016/2017. In diesem Zeitraum wurden im EDU-Raum offiziell rund 66 Tonnen Glasaale gefangen. Davon 46 Tonnen in Frankreich, 14,2 Tonnen in Spanien, 7,3 Tonnen in Portugal und 3,4 Tonnen in Grossbritannien. In anderen Nationen wird kein professioneller Glasaalfang betrieben oder die Fänge (z.B in Deutschland und Holland) sind so gering, dass sie in der EU-Statistik nicht mehr auftauchen. Gemäss SEG ist davon rund die Hälfte dieser Menge «verschwunden». 115 Millionen Glasaaale sind auch nach hartnäckigen Recherchen nirgendwo in Europa als Lieferung quittiert worden. Aber anderswo dürfen sie bei aktueller Gesetzeslage nicht transferiert oder gehandelt werden. Der Verdacht liegt nahe, dass sie nach Asien geschmuggelt wurden, um dort illegal gefarmt und als Luxusware «Japanischer Aal» äusserst gewinnbringend verkauft zu werden. Ein aktueller Statusbericht von Europol schätzt sogar, dass zur Zeit rund 100 Tonnen (rund 350 Millionen Glasaaale) jährlich aus Europa illegal nach Asien gelangen, der grössere Teil also nicht einmal offiziell als Fang erfasst. Bei diesen Mengen an «Ware» geht es um eine finanzielle Grössenordnung von mehreren hundert Millionen Euro. Das sind Gewinnmargen, die das organisierte Verbrechen definitiv interessieren. 

Methoden wie die Mafia

Es ist keineswegs so, dass die europäischen Behörden tatenlos zuschauen würden. Im  Gegenteil! Die polizeilichen Gegenmassnahmen in England, Frankreich oder Spanien erinnern an einen Mafia-Thriller: Beschattung, bewaffnete Sonderkommandos, Zugriff im Morgengrauen. Die Beute der Razzien umfasst in der Regel neben viel Bargeld und Schusswaffen auch Experten-Equipment für Hälterung und Transport der empfindlichen Jungaale. Die illegalen Glasaallieferungen gehen mit fliegenden Kurieren abgepackt in sauerstoffgefüllte Polyethylenbeutel und verstaut in wärmeisolierten Reisekoffern nach Hongkong, Taiwan und China. Dort werden sie von Aalfarmern gekauft, die sie bis zur Schlachtreife (500 bis 1000 Gramm) aufziehen und dann für «Drogenpreise» von bis zu 9000 Euro pro Kilogramm verkaufen. Selbst dort kommt man den Kriminellen mittlerweile dank DNA-Analyse auf die Spur. Der genetische Unterschied zwischen europäischen und asiatischen Aalen ist gross genug, um eindeutige Resultate zu liefern.

Neuste Methoden erlauben anhand des spezifischen Strontium-Calcium-Verhältnisses in den Gehörsteinchen sogar eine Zuordnung der Aale zu einer geografischen Region in Europa. Der Nachweis krimineller Machenschaften wird einfacher und aussagekräftiger, was die Eingriffsmöglichkeiten der Justiz verbessert.

Aber angesichts derart attraktiver Gewinnmargen scheinen alle Versuche zur Rettung der Art zum Scheitern verurteilt. Man denkt unweigerlich an Elfenbein und Nashörner. 

Gibt es eine Rettung für den Aal? Ein optimistisches Ja fällt schwer trotz aller intensiver Bemühungen, trotz starker gesetzlicher Schutzmassnahmen und einem enormen Zuwachs an Wissen in den letzten Jahren. 

Sustainable Eel Group

Diese Vereinigung von professionellen Naturschutzaktivisten und Biologen verfolgt das Thema Glasaal-Schwarzhandel mit bewundernswerter Hartnäckigkeit und wissenschaftlicher Präzision und Transparenz. Sie hat wichtige Studien mit starkem Datenmaterial erarbeitet und schafft wertvolles Medieninteresse für das Thema.

http://www.sustainableeelgroup.org/