Wo es der Äsche gefällt...

... ist die Wasserwelt noch in Ordnung!

 

In Europa gilt die Äsche als prägende ökologische Leitart. Nach ihr ist ein umfassender Wasserlebensraum benannt - die Äschenregion. Im Alpenraum ist das jene Zone, wo sich Wildbäche und Jungflüsse in den Tälern vereinigen, gemächlicher fliessen und strukturell vielfältiger werden.

In vielen Gewässersystemen ist es diese Region, wo die Laichplätze der meisten gefährdeten oder ausgestorbenen Fischarten wie Lachs, Meerforelle oder Stör liegen. Bei der Wiederansiedlung dieser Arten spielt die Äsche deshalb eine wichtige Rolle als Qualitätsprüferin.

Wo es der Äsche gut geht, gibt es auch berechtigte Hoffnung für die Wanderfische Lachs & Co..

Mehr über den Lebensraum der Äsche finden Sie hier

Zutraulich und gefährdet

Erfahrene Fischer und Taucher wissen es: Die Äsche ist furchtlos, neugierig und zutraulich. Man kann sich ihr bis auf kurze Distanzen nähern und sie in all ihrer natürlichen Pracht bestaunen, ohne  sie zu verscheuchen. Sie pendelt in der Strömung scheinbar selbstvergessen und ohne Furcht. Eigentlich wunderbar! In freier Wildbahn wird der Äsche dieses naive Verhalten allerdings häufig zum Verhängnis. Geschickte Fischjäger wie der Kormoran haben leichtes Spiel. Im schlimmsten Fall ist nach dem Besuch eines grossen Jagdtrupps von mehreren hundert Vögeln eine lokale Äschenpopulation verschwunden oder brutal dezimiert. Da die  Zahl der Kormorane in der Schweiz und Teilen Europas zunimmt, steigt auch das Risiko für die Äschen zum Opfer eines solchen Besuchs zu werden.

 

 

                                                                                    

Ein Leben fürs Fressen

Geduldige Forscher haben der Äsche ganz genau aufs kleine Maul geschaut und tagelang mitgezählt. Die Resultate sind beeindruckend. Eine Äsche verbringt einen grossen Teil ihrer Lebenszeit mit dem Beobachten der Strömung und dem Pflücken von Beute. An manchen Tagen schnappt sie sich Hunderte von Tierchen, die ihr im Wasser entgegentreiben. Die meiste Nahrung findet sie nahe am Grund, wo sie geduldig wartet.

An manchen Tagen schlürft sie ihre Beute auch von der Wasseroberfläche, sofern das Angebot stimmt. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Wasserinsekten wie die Eintagsfliege massenhaft schlüpfen und eine Zeitlang hilflos an der zähen Grenze zwischen Wasser und Luft herumzappeln. Ansonsten frisst die Äsche vorzugsweise mit möglichst wenig Aufwand nahe am Flussgrund. Verständlich, wenn man das den ganzen Tag tun muss, um satt zu werden.               

Mehr über die Biologie der Äsche finden Sie hier.

Krebschen, Käfer & Kaviar

Die Natur ist in der Regel gnadenlos, aber manchmal auch unerwartet grosszügig. Es gibt Zeiten, da können die Äschen nach Herzenslust schlemmen! Wenn beispielsweise im Sommer der Wind durch Wiesen, Büsche und Bäume rauscht, dann werden unzählige Insekten aufs Wasser geweht. Am besten schmecken der Äsche aus diesem Menü knusprige Ameisen und fette Käfer.

In guten Jahren vermehren sich im Kiesgrund gesunder Bäche und Flüsse die Bachflohkrebse. Diese nahrhaften Miniaturcrevetten sind für viele Fische eine Delikatesse. Sie lassen die Äschen rasch wachsen und färben ihr Fleisch appetitlich orange.

Das attraktivste Fressen für die Äsche sind Fischeier:

Jedes einzelne ist eine Kalorienbombe - vollgepackt mit wertvollen Eiweissen und Fetten. Die Äsche folgt überall auf der Welt instinktiv den Lachsen, Forellen und Felchen auf ihren Laichwanderungen und wartet gierig auf jedes Ei, das bei der Fortpflanzung nicht im Nest landet, sondern von der Strömung abgetrieben wird.

 

 

 

Märchenhafte Farbenpracht

Äschen gehören zu den farbenprächtigsten Fischen Europas. Bei genauerer Betrachtung entpuppen sich die gut getarnten grauen Schatten (auf Französisch heisst die Äsche l'ombre) als schillernde Schönheiten. Ihre silbergrauen Flanken sind oft geschmückt mit schwarzen Punkten und überhaucht mit Gelb oder Orange.

Manche Äschen brillieren zusätzlich mit roten, violetten und blauen Flecken. Vor allem die auffällige Rückenflosse - von Fischern wird sie bewundernd Fahne genannt - ist beeindruckend gemustert und gefärbt. Während der Laichzeit ist die Färbung besonders intensiv . Die Grundfärbung wird beinahe schwarz, die Farben scheinen regelrecht zu leuchten. Ein balzendes Männchen sieht aus wie ein Märchenfisch aus einem Kinderbuch.

Schöne Paare

Die Hochzeit der Äschen ist ein schönes und berührendes Schauspiel. Bei manchen Menschen löst die Beobachtung des ungewöhnlichen Verhaltens sogar romantische Gefühle aus.

Es ist ein einmaliger Anblick, wenn das Männchen seine farbenprächtige, grosse Rückenflosse geradezu zärtlich über den Rücken des Weibchens legt, und die beiden eng aneinander geschmiegt über den Flussgrund tanzen ...

Da die Äschen Stellen mit flachem, klarem Wasser zum Laichen bevorzugen, lässt sich dieses eindrückliche Naturtheater vergleichsweise gut beobachten. Es findet in der Schweiz hauptsächlich von Mitte März bis Anfang Mai statt. Die Äschen sind zu dieser Zeit noch weniger scheu als sonst. Das macht sie leider auch besonders verletzlich - besonders Fisch fressende Vögel haben zu dieser Zeit besonders leichtes Spiel und können lokal ganze Populationen auslöschen.   

 

 

Wachsen um zu Überleben

Für junge Äschen ist das Leben gefährlich. Sie sind begehrt als maulgerechte, eiweissreiche Appetithappen. Überall lauern gierige Räuber! Forelle, Alet, Hecht oder Trüsche schätzen den zahlreichen Nachwuchs der Äsche ebenso wie Kormoran, Gänsesäger oder Reiher.

Gegen das Gefressen werden gibt es mehrere Strategien: Die Äsche setzt auf schnelles Wachstum. Mit jedem Zentimeter Länge und Bauchumfang gibt es weniger gierige Mäuler und Schnäbel, in die man hineinpasst!

Genau das ist der Grund für die rasante Entwicklung der jungen Äschen. Unter optimalen Bedingungen sind sie deshalb bereits im zweiten Lebensjahr mehr als 30 Zentimeter lang und geschlechtsreif. Zu gross für die Mehrzahl der Raubfische und Vögel. Der Kormoran bewältigt allerdings auch Fische dieses Kalibers mühelos - das macht ihn so gefährlich für die Äschenpopulationen in Gewässern, die er in grossen Schwärmen anfliegt und bejagt.

Das rasche Wachstum bedeutet für die Äsche ein intensives, aber kurzes Leben.

Nur ganz wenige Individuen werden zehn Jahre alt.

Der Duft der Äsche

In fast jedem Portrait oder Artikel über die Äsche liest man über Thymian. Carl von Linné, der schwedische Begründer der zoologischen Nomenklatur gab der Äsche höchstpersönlich den wissenschaftlichen Namen Thymallus und hatte dabei diesen unverwechselbaren Duft im Sinn. Viele Menschen, die Äschen fangen, verarbeiten oder zubereiten, riechen das anders. Viele Fischer, Köche und Fischgourmets schätzen den Duft einer frischen Äsche sehr, doch für sie riecht er eher nach Gurke, nassem Flusskies oder frisch gepflücktem Salat.

Ob mit oder ohne Thymianduft - die Äsche hat aromatisches, moderat fetthaltiges (2 bis 4 Prozent) und grätenarmes Fleisch, das ausgezeichnet schmeckt. In der Schweiz muss man allerdings selber fischen oder einen geschickten Fischer kennen, um in den exklusiven Genuss von Äsche zu kommen. Es gibt nur wenige Restaurants, wo man regelmässig Äsche auf der Karte findet. Am ehesten am Hochrhein, wo beispielsweise in Stein auch noch mit dem Netz auf Äschen gefischt wird.

Es ist absehbar, dass sich die Äsche in Zukunft kommerziell als Speisefisch gezüchtet und angeboten wird.

 

 

Weltenbummler & Bünzli

Die nahen Verwandten der Äsche - die Forellen, Lachse und Saiblinge - sind Weltenbummler und Langdistanzwanderer! Das extremste Beispiel ist der Atlantische Lachs, der in seiner Jugend über tausende von Kilometern herumvagabundiert, bis er gross und stark wieder zum Fluss seiner Geburt heimkehrt. Ein filmreifes Dasein!

Dagegen wirkt die Äsche ziemlich bünzlig: Sie verbringt ihr ganzes Leben im selben Gewässer - im besten Fall überschwimmt sie ausnahmsweise mal eine Kantonsgrenze.

Bei den Äschen gibt es keine Wanderformen, die im Süsswasser laichen und ins Meer wandern, um sich dort mit «Meeresfrüchten» zu mästen und zur Fortpflanzung wieder heimzukehren. Es gibt aber immerhin Äschen, die im Meer leben - in den Brackwasserbereichen der schwedischen und finnischen Ostsee.

Mehr über die Verwandtschaft der Äsche finden Sie hier

Äschen rund um den Globus

Die Äschen sind im Jahr 2016 eine übersichtliche kleine Familie. Im Verlauf der vergangenen 20 Millionen Jahre gab es zeitweise deutlich mehr Vielfalt. Heutzutage gibt es zwei weit verbreitete Arten - unsere Europäische Äsche und die Arktische Äsche, die die «Äschenfahne hochhält» in Nordamerika und Asien.

In Sibirien und in der Mongolei findet man eine Reihe von wenig bekannten Äschenarten, die sich teilweise extrem an die Bedingungen in spezifischen Gewässersystemen angepasst haben. Das sind nach heutigem Forschungsstand etwa zehn Arten, von denen einige nur in einem einzigen See und seinen Zuflüssen vorkommen. Dazu gehört die grösste Äsche der Welt: Eine Fisch fressende Form der mongolischen Äsche, die bis zu einem Meter lang wird.

Mehr über die Verwandtschaft der Äsche finden Sie hier

 

 

Verlorene Kinderstuben

Einst gab es schier unermessliche Äschenbestände in Schweizer Flüssen. Diese Geschichte erinnert an die Bisons in Nordamerika, sie lief einfach weniger spektakulär ab. Ohne Cowboys und Indianer. Das Resultat ist vergleichbar traurig. Die Äschen in der Schweiz und ganz Mitteleuropa verschwinden. Dafür gibt es verschiedene Gründe, doch einer wirkt sich besonders fatal aus: Der Verlust von Lebensraum!

Mit dem fast flächendeckenden Kraftwerksbau in den Flüssen der Äschenregion ging seit dem Ende des 19. Jahrhunderts enorm viel Lebensraum verloren. In den gestauten Strecken verschlammen und veralgen die Kiesflächen, auf welche die Äsche für die Fortpflanzung angewiesen ist. Den starken Wasserstandschwankungen, die bei der Produktion von Strom zur Deckung von Spitzenbedarf entstehen(Sunk-/Schwallbetrieb) fallen ungezählte Larven und Jungfische zum Opfer. Sie werden von den künstlichen Flutwellen aus ihrer Kinderstube fortgeschwemmt oder stranden tödlich, wenn der Wasserpegel wieder rasch absinkt.

Noch schlimmer: Die Kanalisierung der Flüsse zur Landgewinnung und für den Hochwasserschutz ging vor allem auf Kosten der Flachwasserzonen. Damit ging viel unersetzlicher Lebensraum für Larven und Jungäschen verloren. Heute versucht man ihn wieder Schritt für Schritt mit Renaturierungen zurück zu gewinnen. 

Immer schön kühl bleiben!

Wir lieben warmes  Badewasser - für die Äsche ist es ein lebensbedrohliches Problem! Die Äsche ist ein Kaltwasserfisch, ihre eigentliche Heimat ist der hohe Norden, wo im Winter Seen und sogar Flüsse zufrieren und auch die langen Sommer nicht wirklich Hitze bedeuten. Am besten geht es der Äsche bei Wassertemperaturen im Bereich von 10 bis 15 Grad.

Werte von 20 Grad Celsius und mehr beeinträchtigen das Wohlbefinden der Äsche deutlich, ab 25 Grad wird es kritisch. Extreme Hitzeperioden wie im Sommer 2003 können zu Massensterben führen, insbesondere wenn die natürlichen Ausweichwege der Äschen in kühlere Seitengewässer oder die Tiefen eines Sees durch Wanderhindernisse versperrt sind.

Die systematische Erwärmung der Gewässer in den letzten Jahrzehnten beeinträchtigt die Fitness der Äsche und anderer Kaltwasserfische. Dazu gehört beispielsweise auch die Bachforelle. Dauerstress am Temperaturlimit macht Fische anfälliger für Krankheitserreger wie z.B. den hochinfektiösen Pilzparasiten Saprolegnia.